Sehr geehrte Frau Bildungsministerin, sehr geehrter Bildungsverantwortliche,
es ist eigentlich nicht verwunderlich, dass sich laut einer neuen Studie der Robert-Bosch-Stiftung die schulische Inklusion in Bayern bzw. in ganz Deutschland nicht maßgeblich vorangeschritten ist, im Gegenteil - anstelle Regelschulen mit mehr Fachpersonal auszustatten bzw. die Lehrkräfte hinsichtlich der Beschulung von jungen Menschen mit Behinderung weiterzubilden, zu sensibilisieren, vernehmen diese zunehmend Einsparungen, besonders im Bereich sonderpädagogischer Ressourcen.
Im Newsletter des Kultusministeriums gilt es stets die besten von unzähligen Wettbewerben zu preisen. Der Leistungsgedanke und zugleich Druck sowohl für Schüler:innen, Eltern und auch Lehrkräfte wird dadurch gefördert. Es geht um Selektion wie auch Standardisierung und damit um Homogenisierung mittels einer hohen Zahl an Schulaufgaben bereits im frühen Kindesalter. Kein Wunder, dass auch die Zahl an Schüler:innen mit Prüfungs- bis hin zu Schulangst und anderen Phobien, psychischen Störungen zunimmt. Was zählt sind Noten, vor allem wenn es um den Übergang in die Sekundarschule geht. Viele Schüler:innen verlieren spätestens dann ihren Selbstwert und somit eine gesunde Basis zur Entwicklung ihrer individuellen Prägungen, Fähigkeiten. In unserem derzeitigen Schulsystem werden nicht die persönlichen Stärken gesehen und gefördert. Leistungen werden anhand eines defizitorientierten Maßstabes ermittelt; zugleich werden emotional-soziale Kompetenzen vernachlässigt, es geht primär nicht um ein gemeinsames - kooperatives und forschendes Lernen, wodurch ein/e jede/r auch von den Kenntnissen einer/s anderen lernt, sondern hauptsächlich um Wissensvermittlung (wie es schon seit nahezu 100 Jahren gehandhabt wird).
Auch wenn die Inklusionsquote gestiegen ist, so ist diese in Relation zur ebenso gestiegenen Exklusions- oder Förderquote zu sehen. Wie jede statistisch ermittelte Zahl ist diese erst aussagekräftig, wenn sie anhand von zusätzlichen Erläuterungen bzw. Hintergrundinformationen interpretiert wird - dabei sind die ansteigende Zahl an Diagnosestellungen sowieso die Beschulung von Migrant:innenenkindern an Förderschulen aufgrund unzureichender Sprachförderung an Regelschulen als Beispiele bzw. Gründe zu nennen.
So werden nach wie vor der Großteil der Schüler:innen mit einer Behinderung an Förderschulen unterrichtet, selbst die mit dem Förderschwerpunkt Lernen, Sprache sowie emotional-soziale Entwicklung - Bereiche, die am leichtesten inklusiv umgestaltet werden könn(t)en.
Selbst Schüler:innen mit körperlicher Behinderung, die keine intellektuelle Einschränkung und damit Lernprobleme haben, bleibt nicht zuletzt aufgrund von mangelnder Barrierefreiheit der Besuch einer Regelschule verwehrt. Wenn der Zugang möglich wäre, beschränkt sich dieser häufig auf eine einzige Schule, d.h. das gesetzlich verankerte Wahlrecht kann seitens der Eltern oder betroffenen Personen nicht in Anspruch genommen werden.
Ein nachvollziehbarer Grund, weshalb Eltern ihre Kinder bevorzugt in eine Förderschule geben, ist der Mangel an entsprechend (sonderpädagogisch) ausgebildeten Lehrkräften an Regelschulen.
Darüber hinaus wird Inklusion in der Ausbildung von Lehrkräften sowohl für Regel- wie auch Förderschulen vernachlässigt.
Die vorwiegende Exklusion von jungen Heranwachsenden mit Behinderung an Schulen zeugt für den ausbleibenden Willen seitens der Politik in eine inklusive Bildung zu investieren, die ALLE Schüler:innen wertschätzt und gemeinsames Lernen forciert. Damit werden Menschen mit Behinderung systematisch aus dem Regelschulsystem und zugleich aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Dabei sei zu betonen, dass dadurch nicht nur Menschen mit Behinderung der Umgang mit jenen ohne Behinderung verwehrt wird, sondern auch umgekehrt. In unserem Alltag sind Menschen mit Behinderung relativ selten sichtbar - nicht zuletzt der mangelnden Inklusion geschuldet. Jede:r, die/der Erfahrungen, Begegnungen mit diesen Menschen hat, weiß wie wertvoll dieser für das eigene Leben ist. Menschen mit Behinderung haben zum Teil besondere Fähigkeiten, Stärken, von denen wir alle als Gesellschaft profitieren können. Anstatt Schüler:innen immer nur anhand ihres IQ zu messen, einzustufen und ggf. zu diagnostizieren, gilt es die Emotionale Intelligenz (EQ) mehr in den Vordergrund zu stellen. Gerade in diesen Zeiten braucht es wieder mehr Menschlichkeit, Empathie und Offenheit.
Die Strukturen im deutschen Schulsystem unterstützen eine konträre Entwicklung sowie Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Anstatt die Vielfalt und individuellen Unterschiede als Bereicherung zu sehen und in diesem Sinne eine "Schule für alle" anzustreben, sind in der deutschen Bildungslandschaft (derzeit tatsächlich in nur sehr wenigen Bundesländern) entsprechende Veränderungsprozesse zu vernehmen. Dafür wird ein Genderverbot - was ebenso diskriminierend ist - mit gleichzeitigen Strafdrohungen bei Verstoß für Lehrkräfte denunziert.
Kommentar hinzufügen
Kommentare