20 Der "i-Faktor"

Haben Sie schon mal etwas vom "i-Faktor" gehört? Ich auch nicht… bis vor Kurzem, als mir einer meiner Kollegen am Gang zum Klassenzimmer begegnete. Er war frustriert, da die meisten seiner Schüler:innen nicht mehr kamen – bestätigt den (teilweise nicht gerechtfertigten) Ruf einer typischen BV-Klasse. Die Berufsvorbereitung besuchen Schüler:innen, die noch keine Ausbildung haben oder diese aus bestimmten Gründen abgebrochen haben. JoA – Jugendliche ohne Ausbildung hießen diese Klassen früher und galten quasi als die „Assis“.

Selbst das Bußgeld hilft nicht bei allen, um wieder einen Tritt in die Schule zu wagen… woran das liegt? Es gibt vielfältige Gründe. Doch mittlerweile sind es neben belastenden sozial bzw. familiären Lebensverhältnissen, vorwiegend psychische Erkrankungen. Daran sei nicht nur Corona schuld. Sozialphobien und andere Angststörungen haben allerdings in den letzten Jahren auffallend zugenommen. Zum Teil kommen Schüler:innen nicht mehr aus dem Bett…

Im Klassenraum daneben befindet sich eine weitere Berufsvorbereitungsklasse – genannt BVJ s-i. Diese abgekürzt schulisch-inklusive Maßnahme zielt darauf ab, besonders Menschen mit einer geistigen Behinderung in eine Regelberufsschule zu integrieren; wobei das Hauptziel der erste Arbeitsmarkt ist. Nach spätestens drei Jahren sollen die Schüler:innen die Möglichkeit haben, ein Arbeitsverhältnis in einem Regelbetrieb einzugehen. Klingt vielleicht im ersten Moment absurd? Ist es teilweise auch, wenn man mit dem ein oder anderen Chef eines Unternehmens spricht. „Es kommt darauf an“… heißt es so oft. Sprich, nur unter bestimmten Bedingungen.

Es kommt auf den Menschen drauf an. Nein, jeder Mensch hat Recht, seine Arbeit frei zu wählen, demnach auch einen Arbeitsplatz am allgemeinen Arbeitsmarkt.

Aber kommen wir zurück zu meinem anfangs erwähnten Kollegen… er begründet die deutlich besser besuchte Klasse nebenan mit dem „i-Faktor“. Das „i“ steht für inklusiv. In der Klasse sind Menschen mit verschiedenartigen Beeinträchtigungen, aber auch reguläre – „normale“ Jugendliche, wenn man so will, die ihre Berufsschulpflicht ableisten. Letzte besuchen nahezu regelmäßig die Schule und das sogar gerne… woran liegt das? Der Lehrer begründet dies nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Beobachtungen, Erfahrungen in der Klasse mit der emotional-sozialen Komponente, die durch die Mischung von Schüler:innen mit und ohne Behinderung einen maßgeblichen Einfluss auf das Klassenklima und die Entwicklung der Schüler:innen hat. Es ist unglaublich, aber gerade jene Jugendliche, die man heutzutage immer noch häufig  als asozial abstempelt, weisen in kurzer Zeit Fähigkeiten wie Empathie, Toleranz und eine erhöhte Kommunikationsfähigkeit auf. Sie gehen miteinander achtsamer und wertschätzender um, als jegliche anderen Schüler:innen unter sich.

Da wundert es einen nicht, wenn Lehrpersonen jedes Mal mit Freude in diese Klasse gehen… (schulische) Inklusion tut gut, und zwar nicht nur Schüler:innen, sondern auch Lehrer:innen. Inklusion ist ein Mehrwert für ALLE. 

Warum gibt es nicht mehr von diesen Modellprojekten? In anderen Bundesländern - außer Bayern - sind diese kein Alleinstellungsmerkmal, sondern Teil des regulären Schulsystems. Dort wurden sogenannte Berufsförderschulen schon lange abgeschafft. Bayern beharrt jedoch in voller Länge – bis zum Ende der Berufsschulpflicht auf ein zweigliedriges und damit segregierendes (Förder-)Schulsystem.

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blackstrip
Vor 10 Monate

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