Menschen mit einer Behinderung besitzen (abgesehen von ihren intellektuellen Fähigkeiten) Eigenschaften, die besonders in Zeiten der künstlichen Intelligenz vernachlässigt werden und nicht durch Roboter ersetzt werden können. Es geht dabei um sozial-emotionale Kompetenzen, die sich zusammen als Emotionale Intelligenz, abgekürzt EQ, zusammengefasst werden können. Der EQ lässt sich im Vergleich zum IQ allerdings deutlich schwerer messen und als Wert darstellen. In der zwischenmenschlichen Begegnung Menschen können wir diese Qualität erfahren, wenn es zum Beispiel um die Reaktion einzelner Personen auf emotionale Befindlichkeiten ihrer Mitmenschen geht. Im Kontakt zu Menschen mit einer Beeinträchtigung habe ich häufig deren besonders großes Einfühlungsvermögen gespürt. Sie sind sehr feinfühlig und liebevoll, was die Befindlichkeit ihres Umfeldes anbelangt. Eine solche Begegnung kann persönlich sehr wohltuend und berührend sein.
Ich habe mich sehr oft gefragt, warum Menschen mit Behinderung eine solch stark entwickelte Empathie besitzen. Es könnte die Folge oder Kompensation ihrer geistigen oder körperlichen Defizite sein; ein anderer Grund liegt vielleicht in der verhältnismäßig größeren persönlichen Wertschätzung emotional-sozialer Fähigkeiten. Menschen mit einer Behinderung sind häufig auf ihr soziales Umfeld, die Fürsorge und Unterstützung ihrer Mitmenschen angewiesen. Der Fokus im Leben liegt weniger auf den intellektuellen, sondern emotionalen Fähigkeiten.
Diese ausgeprägte Sensibilität lässt sich auch bei Menschen ohne Behinderung feststellen, die (mehr) Kontakt zu Menschen mit einer Behinderung pflegen. In einer inklusiven Schule habe ich erlebt, wie Kinder durch den täglichen Kontakt mit Kindern, die zum Teil eine schwere Beeinträchtigung hatten, bereits nach kurzer Zeit auffallend gute sozial-emotionale Kompetenzen entwickelten. Es war berührend, wie achtsam, respektvoll und selbstverständlich sie mit ihren behinderten Mitschüler*innen umgingen. Das Zusammenleben mit ihnen war für sie eine völlig normale und sogar wichtige Gegebenheit. Diese heranwachsenden Menschen werden von den Fähigkeiten, die sie im Kontakt mit ihren beeinträchtigen Mitschüler*innen erworben haben, in all ihren Beziehungen profitieren; demzufolge werden sie diese auch ihren Mitmenschen vorleben und weitergeben.
Roboter können gewissen Handlungen, ja sogar Gedanken von uns Menschen übernehmen; wenn es aber um Werte wie Liebe, Geborgenheit und Humor geht, können diese und Mensch - zum Glück - nicht ersetzen. Darüber können wir froh sein, ansonsten müsste man sich bald die Existenz der Menschheit in Frage stellen.
So schnell die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) voranschreitet, umso mehr wird auch die Bedeutung der menschlichen und einzigartigen Fähigkeit zur Empathie thematisiert, die uns durch jene Entwicklung verloren zu gehen droht. Es ist die emotionale Intelligenz, die uns Menschen und besonders Menschen mit einer Beeinträchtigung auszeichnet. Ich bin mir sicher, dass diese niemals von einer technischen entwickelten Person bzw. Maschine ersetzt werden kann.
Eine positives Charaktermerkmal, dass Roboter und speziell Menschen mit einer Beeinträchtigung gemeinsam haben, ist, dass diese unmittelbar und ehrlich auf Situationen oder ihre Mitmenschen reagieren. Sie verstellen sich im Vergleich zu anderen Personengruppen weniger oft und sind darüber hinaus seltener nachtragend. Ähnliche Eigenschaften kann man auch Tieren zuschreiben. Überlegen wir uns an dieser Stelle, wie wollen wir als Mensch sein? Wie wollen wir anderen Menschen begegnen und damit unser Leben leben? Wer kann uns dabei ein gutes Vorbild sein? Ich glaube, dass ich in den letzten Zeilen oder Absätzen eine Antwort darauf gegeben habe...
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